Bundesregierung senkt ihre Konjunkturprognose deutlich
29.01.2025 / 13:27 Uhr
Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones)--Die Bundesregierung hat ihre Konjunkturprognose für dieses Jahr aufgrund von grundlegenden strukturellen Problemen und Unsicherheiten hinsichtlich der Politik in den USA und der künftigen Regierungspolitik in Deutschland deutlich gesenkt. Sie rechnet in ihrem Jahreswirtschaftsbericht für 2025 mit einem Anstieg des realen Bruttoinlandprodukts (BIP) um 0,3 Prozent. Damit würde die deutsche Konjunktur nach zwei Rezessionsjahren auch in diesem Jahr keinen soliden Aufschwung verzeichnen. Anfang Oktober war noch ein Plus von 1,1 Prozent prognostiziert worden.
"Die deutsche Wirtschaft befindet sich zu Beginn des Jahres 2025 in einer schwierigen Ausgangslage. Die globalen Krisen der vergangenen Jahre haben unsere industrie- und exportorientierte Volkswirtschaft besonders hart getroffen", erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Der Kanzlerkandidat der Grünen für die Bundestagswahl am 23. Februar beklagt grundlegende strukturelle Probleme, an denen Deutschland leide. Er verwies auf den Arbeits- und Fachkräftemangel, die überbordende Bürokratie sowie die Investitionsschwäche, die sowohl bei privaten als auch bei öffentlichen Investitionen zu Buche schlage.
"Gleichzeitig dämpfen die gegenwärtig hohe Unsicherheit mit Blick auf die US-Wirtschafts- und Handelspolitik wie auch die Ungewissheit über den künftigen wirtschafts- und finanzpolitischen Kurs angesichts der anstehenden Bundestagswahl die Investitions- und Konsumlaune", sagte Habeck.
Er betonte, dass es in den kommenden Jahren auf "beherztes, entschlossenes Vorgehen" ankommen werde. Zwingend seien erstens gezielte Impulse zur Stärkung der Investitionstätigkeit und größere Spielräume für öffentliche Investitionen. Zweitens müsse das Fachkräfte- und Arbeitskräftepotential voll gehoben werden - im Inland und durch Zuwanderung. Drittens müssten die Bürokratie konsequent abgebaut und Verfahren deutlich beschleunigt werden. Viertens müsse Europa angesichts der geoökonomischen Herausforderungen geschlossen agieren und die Macht seines Binnenmarktes nutzen.
Unsicherheit wegen USA und Bundestagswahl schwächt Nachfrage
Das Wirtschaftsministerium geht in seinem Jahreswirtschaftsbericht davon aus, dass sich die binnenwirtschaftliche Nachfrage angesichts der anhaltenden geopolitischen Unsicherheiten sowie der noch unklaren wirtschafts- und finanzpolitischen Ausrichtung der nächsten Bundesregierung zunächst noch schwach entwickeln wird. Bei nachlassender Inflation, weiter steigenden Realeinkommen und zunehmender Klarheit über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sei für den späteren Jahresverlauf dann aber mit einer anziehenden binnenwirtschaftlichen Dynamik zu rechnen.
Laut neuer Prognose wird die Inflationsrate in 2025 wie auch im Vorjahr bei 2,2 Prozent liegen.
Weiter rückläufige Exporte
Die Exporte werden der Prognose zufolge in diesem Jahr weiter sinken. Nach einem Minus von 0,8 Prozent im vergangen Jahr sollen die Ausfuhren real um 0,3 Prozent fallen. Importe dürften nach dem Plus von 0,2 Prozent 2024 in diesem Jahr um 1,9 Prozent steigen.
"Angesichts im Jahresdurchschnitt noch rückläufiger Exporte bei gleichzeitig steigenden Importen ist vom Außenhandel ein spürbar negativer Wachstumsbeitrag zu erwarten", erklärte das Ministerium.
Die Konjunkturerwartung der Bundesregierung für dieses Jahr deckt sich mit der Erwartung des Internationale Währungsfonds. Dieser hatte am 17. Januar für Deutschland ein Wirtschaftswachstum von 0,3 Prozent für dieses Jahr und von 1,1 Prozent für 2026 vorhergesagt. Deutlich negativer schätzt der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) die Situation der deutschen Wirtschaft ein. Der BDI hatte am Vortag einen Rückgang des BIP um 0,1 Prozent für 2025 prognostiziert und von einer tiefen wirtschaftlichen Krise Deutschlands gesprochen.
Geringeres Wachstum führt zu weniger Steuereinnahmen
Die Konjunkturprognose der jetzigen Bundesregierung hat Auswirkungen auf die Haushaltspolitik der kommenden Bundesregierung. Denn die erwarteten Wachstumsraten sind Basis die Steuerschätzung und damit auch für die Haushaltsplanungen. Nach einem Kassensturz muss die neue Regierung einen Haushalt für das aktuelle Jahr 2025 verabschieden und bis zum Sommer Eckpunkte für den Etat des kommenden Jahres aufstellen.
Eine schwächer als zuvor erwartete Konjunkturentwicklung resultiert üblicherweise in niedrigeren Steuereinnahmen. Damit könnte die Haushaltslücke noch größer werden als die bislang erwartete. Bundesfinanzminister Jörg Kukies (SPD) hatte diese vergangene Woche mit 16 Milliarden Euro für den Bundeshaushalt 2025 angegeben.
Das Wirtschaftsministerium erklärte, dass nun Impulse gesetzt werden müssten. Die Bundesregierung habe im vergangenen Jahr mit dem Ende der Haushaltsnotlage und der Rückkehr zur Schuldenbremse keine ausreichenden Impulse für eine konjunkturelle Belebung setzen können. "Künftig kommt es über größere Spielräume für öffentliche Investitionen hinaus darauf an, zusätzliche Impulse zur Stärkung der privaten Investitionstätigkeit zu setzen", so das Ministerium.
Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com
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