Scholz ruft Thyssenkrupp zum Erhalt von Stahlproduktion und Arbeitsplätzen auf

28.11.2024 / 17:52 Uhr

Von Andrea Thomas

DOW JONES--Bundeskanzler Olaf Scholz hat an Thyssenkrupp appelliert, Stahlproduktion und Arbeitsplätze in Deutschland zu halten. Der Bund gewähre dem Unternehmen staatliche Unterstützung für die Transformation hin zu einer grünen Stahlproduktion und verbinde dies mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen. Er machte zudem deutlich, dass er angesichts der Belastung durch hohe Energiekosten die Netzentgelte auf 3 Cent senken will und damit ein "rundes Paket" für wettbewerbsfähige Industriestrompreise auf lange Sicht anstrebe.

Scholz sagte, dass Stahl in Deutschland produziert und verarbeitet werden müsse. "Wir fördern den Umstieg auf klimafreundliche Produktion, auch hier im Ruhrgebiet, bei Thyssenkrupp zum Beispiel. Das verbinden wir dann aber auch mit der Erwartung, dass Produktion und Arbeitsplätze in Deutschland erhalten bleiben müssen", sagte Scholz anlässlich der Festveranstaltung 125 Jahre Emschergenossenschaft in Bochum.

Man müsse dies für Deutschlands strategische Souveränität tun. Es gehe um die Frage, ob man die ganze Kette der Stahlproduktion in Deutschland haben wolle oder nicht. Er sei dafür.

"Deshalb kämpfe ich für die Industriearbeitsplätze in Deutschland und für einen klaren, pragmatischen Kurs in Richtung Zukunft", so Scholz.

Thyssenkrupp Steel hatte angekündigt, in den nächsten Jahren die Belegschaft massiv zu verkleinern. So sollen 5.000 von derzeit rund 27.000 Stellen bis 2030 in Produktion und Verwaltung gestrichen werden. Überdies sollen 6.000 Jobs durch Ausgliederungen auf externe Dienstleister oder den Verkauf von Geschäftstätigkeiten wegfallen. Der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen unterstützen eine Direktreduktionsanlage des Unternehmens, mit der die Stahlerzeugung künftig dekarbonisiert werden soll, mit insgesamt 2 Milliarden Euro.

Netzentgelte auf 3 Cent absenken

Scholz sagte in seiner Rede überdies zu, dass sich die Regierung als nächstes intensiv um die Kosten für den Netzausbau kümmern werde. Nach seinen Gesprächen mit Unternehmen, Gewerkschaften und Industrieverbänden sei klar, dass alle eine langfristige Deckelung der Entgelte für die großen Übertragungsnetze wollten.

"Das schafft die Sicherheit, die unsere Unternehmen brauchen, um zu investieren und zu produzieren. Und das sichert Arbeitskräfte", sagte Scholz. "Noch in diesem Jahr können wir deswegen die Netzentgelte begrenzen, wenn alle mitziehen. Ab 2025 wollen wir dann einen festen Deckel einführen, der die Kosten für die Übertragungsnetzentgelte halbiert und auf 3 Cent festschreibt."

Für solch eine Maßnahme braucht die von Scholz geführte Minderheitsregierung allerdings die Zustimmung der Opposition im Bundestag. Die Union hat jedoch Skepsis an den Plänen angemeldet, da kein Haushalt vorliege. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat einen Nachtragshaushalt ins Spiel gemacht, um die Kosten für die Senkung der Netzentgelte zu finanzieren.

Heimische Stahlindustrie schützen durch Erstattungen

Scholz beklagte in seiner Rede zudem, dass Überkapazitäten wie etwa bei Stahl die heimische Industrie kaputt zu machen drohten. Alles, was der Europäischen Kommission dagegen an Schutzmaßnahmen zur Verfügung steht, müsse auch angewendet werden.

Scholz betonte, dass er Fairness auch beim CO2-Grenzausgleichssystem einfordern werde. Denn ein Exporteur in das außereuropäische Ausland dürfe nicht diskriminiert werden. "Deshalb muss es Erstattungen geben und nicht nur Restriktionen beim Import", so Scholz. "Was wir (...) nicht brauchen, sind zum Beispiel EU-Zölle, die in China produzierte Autos deutscher Hersteller teurer machen."

Der Kanzler, der sich wiederholt gegen höhere Zölle der Europäischen Union (EU) auf Autos aus chinesischer Produktion positioniert hat, forderte die EU auf, mit China dringend eine Lösung auf dem Verhandlungsweg zu finden.

Widerstand bei Strafzahlungen für Autofirmen

Mit Blick auf die vorgesehen Strafzahlungen für Automobilhersteller, die die festgelegten europäischen Flottengrenzwerte beim Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) im kommenden Jahr nicht einhalten, kündigte Scholz Widerstand an.

"Was wir übrigens auch nicht brauchen sind Strafzahlungen unserer Autohersteller an Brüssel, weil sie die EU-Flottengrenzwerte nicht einhalten", sagte Scholz. "Wir brauchen keine Situation, in der gesagt wird: Jetzt, wo die Branche große Herausforderungen hat, soll sie einen Teil der Liquidität entzogen bekommen."

Mit Blick auf die Wettbewerber und große Programme und Steuervorteile in den USA betonte Scholz, dass Deutschland die richtigen Anreize setzen müsse, um Investitionen herzulocken. Er sei gegen Förderprogramme und -töpfe, gegen Programme, bei denen der Staat bis ins Detail vorgebe, in welche Technologie Unternehmen unter welchen Bedingungen zu investieren hätten.

Er sei aber auch gegen pauschale Steuersenkungen, weil das keine Investitionen in Deutschland garantiere. Stattdessen sollten alle Unternehmen, die in Deutschland in die Zukunft investieren, steuerlich für diese Investitionen entlastet werden. Konkret nannte er Investitionen in die Digitalisierung oder klimafreundliche Energie, in neue Produktionsstätten oder moderne Maschinen.

Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com

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November 28, 2024 11:51 ET (16:51 GMT)

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